Title : Prozess gegen Neonazi-Gruppe „Aryans“: Haft für Angriff auf Gegendemo
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Prozess gegen Neonazi-Gruppe „Aryans“: Haft für Angriff auf Gegendemo
Prozess gegen Neonazi-Gruppe „Aryans“
Mit Autos machten sie Jagd auf Linke und prügelten auf Unbeteiligte ein. Nun wurden zwei Neonazis zu Haft- und Bewährungsstrafen verurteilt.

HALLE AN DER SAALE taz | Seit Anfang Januar hatten der 40-jährige Carsten M. und seine zwei Jahre ältere Lebensgefährtin Martina H. sich in dem Prozess vor dem Landgericht Halle wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten müssen, M. zusätzlich wegen einfacher Körperverletzung. Nach sechs Verhandlungstagen fiel jetzt das Urteil.
Carsten M. wurde wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Martina H. erhielt für gefährliche Körperverletzung in einem Fall eine Bewährungsstrafe von einem Jahr.
Am 1. Mai 2017 hatten sie in zwei Autos mit weiteren Neonazis gesessen, aus denen heraus am Rande einer Gegendemo linke Demonstranten und eine unbeteiligte Wandergruppe mit Steinen, Reizgas, Böllern und Flaschen angegriffen worden waren. Mit den Autos und zu Fuß seien sie gejagt und verprügelt worden. Einer der Nebenkläger erklärte vor Gericht, er sei auf seinem Fahrrad von den Neonazis verfolgt worden und habe sich nur knapp retten können. Vor Gericht zeigten Fotos Carsten M. mit einem Stromkabel in der erhobenen Hand, wie er auf die Menschengruppe zurannte.
Wegen dieser auf Fotos und in Zeugenaussagen festgehaltenen Jagdszenen hatte die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer am Donnerstag für den dreifach vorbestraften Carsten M. eine Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten gefordert, sowie 14 Monate und zwei Wochen auf Bewährung für seine Lebensgefährtin Martina H.
Angeklagter habe nicht klar denken können
Mehrere Tage sagten Zeugen und Nebenkläger gegen das Paar aus. Offensichtliche Unterstützer und Mitfahrer der beiden Angeklagten versuchten derweil, sie zu entlasten: Die Autos seien von den Linken erkannt und angegriffen worden. Doch die Zeugen verstrickten sich in Widersprüche, gaben an, sich nicht erinnern zu können. Sie konnten nicht einmal genau sagen, warum man überhaupt angehalten habe und ausgestiegen sei. M. sei am Morgen, bei seiner Ankunft am Hauptbahnhof Halle, von einer Sektflasche am Kopf getroffen worden und habe nicht klar denken können, hieß es außerdem.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft sind Carsten M. und Martina H. gefestigt nationalsozialistisch eingestellt. Auch die Zeugen, die vor Gericht für das angeklagte Paar aussagten, gaben sich als stramme Neonazis zu erkennen. Einer von ihnen, mit Gesichtstattoo und kahlgeschorenem Kopf, sagte am vierten Prozesstag aus, er halte den Spruch „Support your Race“ für seine Pflicht. Der Schriftzug hatte auf der Rückseite der T-Shirts gestanden, die alle an der Tat beteiligten Neonazis am 1. Mai getragen hatten. Auf ihrer Vorderseite stand in Frakturschrift „Aryans“, Arier.
Haufenweise solche T-Shirts wurden auch bei einer Hausdurchsuchung im vergangenen September bei Martina H. und Carsten M. im hessischen Main-Kinzig-Kreis gefunden. Selbst ein solches Shirt für Babys fanden die Ermittler. Außerdem fanden sie illegale Waffen, wegen derer M. bereits vor diesem Prozess verurteilt worden war, und Aufkleber unter anderem für die neonazistische Kameradschaft „Division Braune Wölfe“, der M. und weitere Aryans zuletzt angehörten. Daneben stellten die Ermittler SS- und Hakenkreuzfahnen sowie Nazi-Devotionalien sicher – darunter ein angebliches Dokument über den letzten Funkspruch aus dem Führerbunker.
Prügelattacke auf unbeteiligte Jugendliche
Einer der Mitfahrer sagte aus, dass die Gruppe, vor der die Rechten abrupt gebremst hatten, sie bedroht und „offensichtlich zu den Linken“ gehört habe. Dass diese Einschätzung nicht stimmte, hatte sich schon bei den Anzeigen gegen die Neonazis herausgestellt: So war von der Prügelattacke auch eine unbeteiligte Gruppe von Jugendlichen betroffen, die sich selbst als unpolitisch bezeichnet und nur zufällig in der Straße vorbeigekommen war, als sie am Maifeiertag wandern gehen wollte.
Die außerordentliche Brutalität des Angriffs und die Tatsache, dass es Unbeteiligte getroffen hatte, bewog auch die Strafkammer des Landgerichts, den Prozess „wegen seiner außerordentlichen Bedeutung“ vor dem eigenen Gericht stattfinden zu lassen. Die zuvor zuständige Staatsanwältin hatte die Anklage zunächst nur vor dem Amtsgericht erhoben, der untersten Instanz, mit der Begründung, diese Auseinandersetzungen seien „typisches Alltagsgeschäft“.
Im Laufe des Prozesses kamen weitere zweifelhafte Einschätzungen von Staatsbediensteten bezüglich der Angeklagten heraus. Durch die Auswertung von Chat-Protokollen von Martina H. stieß die Nebenklage auf einen Chat zwischen H. und einem hessischen Polizisten. Darin bat sie den Beamten mehrfach um Informationen über ihren Lebensgefährten aus dessen Strafregister. Der Beamte kam der Bitte nach und gab die Daten weiter. Später hieß es, er habe sie nur schützen wollen. Gegen ihn läuft nun ein Disziplinarverfahren in Niedersachsen, das für die Dauer des Prozesses ruht.
Bundesanwaltschaft hat Verdacht auf Rechtsterror
Martina H. saß in diesen Tagen mit blond gefärbtem Haar wortlos neben ihrem kahlgeschorenen Lebensgefährten, vor dem sie der Polizist angeblich hatte warnen wollen, im Gerichtssaal. Sie trug am 1. Mai wie ihre Kameraden auch ein „Aryans“-T-Shirt. Auch sie ist nicht neu in der Szene, und die Aryans nicht sonderlich schwer als rechtsextrem einzuordnen.
So wurde Ende Januar, als der Prozess in Halle schon lief, auch bekannt, dass die Bundesanwaltschaft seit vergangenem Jahr gegen die Aryans wegen Verdachts auf Rechtsterror ermittelt. Damit ist die Gruppe eine von bundesweit vier, bei denen die Bundesanwaltschaft diesem Verdacht nachgeht, neben Revolution Chemnitz, Nordadler und der Oldschool Society.
Einen Einfluss auf das Gerichtsverfahren hätten diese Ermittlung jedoch nicht, sagte im Laufe des Prozesses der Gerichtssprecher und Vorsitzende Richter am Landgericht, Wolfgang Ehm, der taz: „Wie die Organisationsstruktur der Angeklagten aussieht, ist für die Schwere der Schuld nicht erheblich“, dies sei im gesonderten Verfahren festzustellen. Man könne das in einem Prozess am Landgericht, den die Staatsanwältin außerdem zuerst am Amtsgericht angesiedelt hatte, „nicht nachermitteln bis zum Urschleim“.
by via taz.de - taz, die tageszeitung
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